In der sich ständig weiterentwickelnden Welt der Suchmaschinenoptimierung (SEO) stehen Core Web Vitals seit ihrer Einführung im Jahr 2021 im Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen. Diese von Google entwickelten Metriken sollen die Nutzererfahrung auf Webseiten messbar machen und wurden als Teil der „Page Experience“-Signale in den Ranking-Algorithmus integriert. Doch selbst im Jahr 2025 scheiden sich die Geister darüber, wie stark Core Web Vitals tatsächlich das Ranking beeinflussen und ob der Optimierungsaufwand den potenziellen SEO-Nutzen rechtfertigt.
Die grundlegende Frage bleibt: Sind Core Web Vitals ein entscheidender Ranking-Faktor, der über den Erfolg einer Webseite mitbestimmt, oder werden sie in ihrer Bedeutung überschätzt? Dieser Artikel beleuchtet den aktuellen Stand der Forschung, Aussagen von Google-Mitarbeitern und Praxiserfahrungen, um eine fundierte Einschätzung zu ermöglichen.
Die drei Metriken im Detail: LCP, INP, CLS
Core Web Vitals bestehen aus drei zentralen Messgrößen, die verschiedene Aspekte der Nutzererfahrung bewerten. Im März 2024 gab es dabei eine wichtige Änderung, als Google den First Input Delay (FID) durch die neue Metrik Interaction to Next Paint (INP) ersetzte.
Largest Contentful Paint (LCP)
LCP misst, wie schnell das größte sichtbare Element im Viewport geladen wird – sei es ein Bild, ein Textblock oder ein Video-Thumbnail. Für eine gute Nutzererfahrung sollte der LCP-Wert unter 2,5 Sekunden liegen.
Laut der CrUX-Daten (Chrome User Experience Report) vom Mai 2024 erfüllen nur etwa 62,1% aller indexierten Webseiten diesen Standard, was LCP zur herausforderndsten Core Web Vitals-Metrik macht. CloudPanel
Interaction to Next Paint (INP)
INP ist die neueste Metrik und ersetzt seit März 2024 den First Input Delay (FID). Sie misst die Reaktionszeit einer Webseite bei Nutzerinteraktionen wie Klicks oder Tastenanschlägen. Der Wert beschreibt die Zeit zwischen der Interaktion und der nächsten Bildschirmaktualisierung.
Ein INP-Wert unter 200 Millisekunden gilt als gut. Diese Metrik ist besonders wichtig für die Messung der wahrgenommenen Reaktionsgeschwindigkeit einer Webseite. Developers Google
Cumulative Layout Shift (CLS)
CLS quantifiziert die visuelle Stabilität einer Webseite während des Ladevorgangs. Es misst, wie stark sich Elemente unerwartet verschieben, was zu Frustration führen kann, wenn Nutzer beispielsweise versehentlich auf das falsche Element klicken.
Anders als die anderen Metriken wird CLS nicht in Sekunden gemessen. Ein guter CLS-Wert liegt unter 0,1. NitroPack
Core Web Vitals als Ranking-Faktor – Was sagt Google?
Die Aussagen von Google-Mitarbeitern zu Core Web Vitals als Ranking-Faktor sind differenziert und haben in den letzten Jahren für Diskussionen gesorgt.
John Mueller, Senior Search Analyst bei Google, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass Core Web Vitals keine „gigantischen Faktoren beim Ranking“ sind. In einem Statement, das von Stan Ventures zitiert wird, erklärte Mueller: „Core Web Vitals sind keine gigantischen Faktoren beim Ranking, und ich bezweifle, dass Sie nur deswegen einen großen Absturz sehen würden.“ Stan Ventures
Auch Martin Splitt, Developer Advocate bei Google, betonte in einem Google Search Central Video: „Google Search versucht immer, die relevantesten Inhalte anzuzeigen, selbst wenn die Page Experience nicht die beste ist.“ Dies unterstreicht, dass die Inhaltsrelevanz nach wie vor Vorrang vor der technischen Performance hat.
Interessanterweise hat Google seine Dokumentation zu Core Web Vitals kürzlich aktualisiert und formuliert nun, dass „Core Web Vitals von unseren Ranking-Systemen verwendet werden.“ Gleichzeitig wird aber auch klargestellt, dass gute Ergebnisse in Berichten wie der Core Web Vitals-Analyse in der Search Console oder in Drittanbieter-Tools „nicht garantieren, dass Ihre Seiten ganz oben in den Google-Suchergebnissen ranken werden.“
Der tatsächliche Einfluss auf SEO – Was zeigen Studien?
Trotz der zurückhaltenden Aussagen von Google-Mitarbeitern deuten Studien darauf hin, dass Core Web Vitals durchaus einen messbaren Einfluss auf das Ranking haben können, wenn auch in einem begrenzten Rahmen.
Backlinko listet Core Web Vitals in seiner Zusammenstellung der 200 Google-Ranking-Faktoren auf und bezeichnet sie als „mehr als nur einen Tie-Breaker“ in Bezug auf ihren Einfluss auf das Ranking. Backlinko
Eine Studie von Arcadian Digital aus dem Jahr 2025 kommt zu dem Schluss, dass Google „Core Web Vitals weiterhin zu einem wichtigen Ranking-Faktor macht und damit die Bedeutung von Seitengeschwindigkeit, Interaktivität und Stabilität bekräftigt.“ Arcadian Digital
Die gewichtigste Erkenntnis aus den verfügbaren Daten lässt sich wie folgt zusammenfassen: Core Web Vitals können vor allem dann einen Unterschied im Ranking machen, wenn alle anderen Faktoren (Inhaltsqualität, Relevanz, Backlinks etc.) zwischen konkurrierenden Seiten ähnlich sind. In diesem Fall können sie als Differenzierungsfaktor dienen, der den Ausschlag gibt.
Der Einfluss auf Conversions und Nutzererfahrung
Während die direkte Auswirkung von Core Web Vitals auf das Ranking umstritten ist, zeigen Studien einen deutlichen Zusammenhang zwischen guten Core Web Vitals-Werten und wichtigen Geschäftsmetriken wie Conversion-Raten und Nutzerengagement.
Eine beeindruckende Fallstudie von Rakuten 24 demonstriert, welchen Unterschied die Optimierung der Core Web Vitals machen kann:
- 53,37% Steigerung des Umsatzes pro Besucher
- 33,13% Steigerung der Conversion-Rate
- 15,20% Steigerung des durchschnittlichen Bestellwerts
- 9,99% Steigerung der durchschnittlichen Verweildauer
- 35,12% Reduzierung der Absprungrate
Diese Ergebnisse wurden durch ein A/B-Testing erreicht, bei dem der einzige Unterschied zwischen den Versionen die Optimierung für Core Web Vitals war. NitroPack
Weitere Fallstudien untermauern diesen Trend:
- redBus verzeichnete nach der Optimierung der INP-Werte eine Steigerung der Verkäufe um 7%
- Carpe erzielte nach Verbesserung von LCP (52% schneller) und CLS (41% verbessert) eine 5% höhere Conversion-Rate und 15% mehr Umsatz
- Sunday Citizen konnte durch eine 25% Verbesserung bei LCP und 61% bei CLS die Absprungrate um 4% senken und die Conversion-Rate um mehr als 6% steigern
Diese Daten zeigen deutlich, dass die Optimierung der Core Web Vitals, unabhängig von ihrem direkten Einfluss auf SEO, erhebliche Vorteile für die Geschäftsergebnisse bringen kann.
Optimierung von Core Web Vitals – Aufwand vs. Nutzen
Die Optimierung von Core Web Vitals erfordert technisches Know-how und kann je nach Ausgangslage und Website-Architektur unterschiedlich aufwändig sein. Bei der Entscheidung, wie viele Ressourcen in die Optimierung investiert werden sollten, ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung sinnvoll.
Laut dem Chrome User Experience Report vom Mai 2024 erfüllen nur 47,1% aller Websites die Core Web Vitals-Standards. Dies bedeutet, dass eine erfolgreiche Optimierung einen Wettbewerbsvorteil gegenüber mehr als der Hälfte aller Websites bieten kann.
Die Optimierungsbemühungen sollten nach Dringlichkeit priorisiert werden:
- Largest Contentful Paint (LCP): Mit nur 62,1% konformen Websites ist dies die herausforderndste Metrik und sollte Priorität haben.
- Cumulative Layout Shift (CLS): Diese Metrik hat eine bessere globale Bestehensrate als LCP, kann aber bei schlechten Werten die Nutzererfahrung erheblich beeinträchtigen.
- Interaction to Next Paint (INP): Als Metrik mit der höchsten Bestehensrate könnte diese zunächst weniger Priorität haben, ist aber für interaktive Websites besonders wichtig.
Vergleich der Aussagen von Google-Experten zu Core Web Vitals
Google-Experte | Position | Aussage zu Core Web Vitals | Quelle | Datum |
---|---|---|---|---|
John Mueller | Senior Search Analyst | „Core Web Vitals sind keine gigantischen Faktoren beim Ranking, und ich bezweifle, dass Sie nur deswegen einen großen Absturz sehen würden.“ | Stan Ventures | Oktober 2024 |
Martin Splitt | Developer Advocate | „Google Search versucht immer, die relevantesten Inhalte anzuzeigen, selbst wenn die Page Experience nicht die beste ist.“ | Stan Ventures | Oktober 2024 |
John Mueller | Senior Search Analyst | „Es lohnt sich nicht, die Scores nur für SEO übermäßig zu optimieren. Sie müssen nicht von jedem Bruchteil dort besessen sein. Die letzten paar Prozent können eine Menge Arbeit sein, aber sie werden nicht dazu führen, dass das Ranking Ihrer Seiten in die Höhe schnellt.“ | Stan Ventures | Oktober 2024 |
Offizielle Google-Dokumentation | – | „Core Web Vitals werden von unseren Ranking-Systemen verwendet. Wir empfehlen Website-Betreibern dringend, gute Core Web Vitals zu erreichen, um mit der Suche erfolgreich zu sein und allgemein eine hervorragende Nutzererfahrung zu gewährleisten.“ | Developers Google | Stand 2025 |
Priorisierung der Optimierungsmaßnahmen nach Nutzen
- Hoher Nutzen bei moderatem Aufwand:
- Bilder optimieren und komprimieren (WebP-Format verwenden)
- Lazy Loading für Bilder und Videos implementieren
- Größenattribute für Medienelemente definieren
- Preload für wichtige Ressourcen verwenden
- Hoher Nutzen bei höherem Aufwand:
- Server-Antwortzeiten verbessern (besseres Hosting, CDN)
- Render-blockierende Ressourcen (CSS, JavaScript) entfernen
- JavaScript-Ausführung optimieren
- Moderater Nutzen bei niedrigem Aufwand:
- Speicherplatz für Werbung und eingebettete Inhalte reservieren
- CSS für Schriftanzeige optimieren (font-display: swap)
- Event-Handler optimieren
- Spezifische Optimierungen je nach Metrik:
- Für LCP: Kritisches CSS inline einfügen, Server-Response verbessern
- Für CLS: Bildgrößen definieren, Layout-Verschiebungen minimieren
- Für INP: JavaScript-Aufgaben optimieren, Web Workers nutzen
Fazit und Ausblick
Die Frage, ob Core Web Vitals ein entscheidender Ranking-Faktor oder überbewertet sind, lässt sich nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantworten. Basierend auf den recherchierten Informationen lässt sich jedoch folgendes Fazit ziehen:
- Als reiner Ranking-Faktor sind Core Web Vitals begrenzt wirksam. Sie sind kein „Make-or-Break“-Faktor für SEO und haben weniger Gewicht als Inhaltsrelevanz, Backlinks oder andere traditionelle SEO-Faktoren. Google-Mitarbeiter haben wiederholt bestätigt, dass sie keinen „gigantischen“ Einfluss auf das Ranking haben.
- Als Differenzierungsfaktor können sie bei sonst gleichen Bedingungen den Ausschlag geben. Wenn zwei Websites in Bezug auf Inhalt und andere SEO-Faktoren ähnlich sind, können bessere Core Web Vitals-Werte zu einem Ranking-Vorteil führen.
- Für die Nutzererfahrung und Conversion-Optimierung sind sie unbestreitbar wichtig. Die Fallstudien zeigen eindeutig, dass verbesserte Core Web Vitals zu höheren Conversion-Raten, längeren Verweildauern und niedrigeren Absprungraten führen können.
In der Praxis bedeutet dies, dass Website-Betreiber die Optimierung der Core Web Vitals nicht primär für bessere Rankings, sondern vor allem für eine bessere Nutzererfahrung und höhere Conversion-Raten anstreben sollten. Der SEO-Vorteil kommt dann als willkommener Nebeneffekt hinzu.
Für die Zukunft ist zu erwarten, dass Google die Nutzererfahrung weiter in den Mittelpunkt stellen wird, möglicherweise mit neuen oder verfeinerten Metriken. Die Integration von KI in die Suche könnte ebenfalls dazu führen, dass Seiten mit besserer Performance bevorzugt werden, da sie für KI-gestützte Indexierung und Bewertung einfacher zu verarbeiten sind.
Die klügste Strategie für Website-Betreiber im Jahr 2025 ist daher, Core Web Vitals als Teil einer umfassenden Optimierungsstrategie zu betrachten. Sie sollten nicht in Panik geraten, wenn ihre Seite nicht alle Benchmarks erreicht, aber gleichzeitig die „Low-Hanging Fruits“ der Performance-Optimierung nutzen, um sowohl die Nutzererfahrung als auch potenzielle SEO-Vorteile zu verbessern.
Quellen:
- Growth Mythos, „Core Web Vitals 2025: Are You Losing Rankings Due to Poor UX?“ Growth Mythos
- Google Developers, „Understanding Core Web Vitals and Google search results“ Developers Google
- Stan Ventures, „Confirmed: Core Web Vitals Not a Big Ranking Factor“ Stan Ventures
- Arcadian Digital, „How Core Web Vitals Will Continue to Shape SEO in 2025“ Arcadian Digital
- CloudPanel, „How Does Core Web Vitals Affect SEO?“ CloudPanel
- NitroPack, „The Role of Core Web Vitals In Improving Conversion Rates“ NitroPack
- Backlinko, „Google’s 200 Ranking Factors: The Complete List (2025)“ Backlinko